(Gesamter Beitrag, Autor Markus Bauer)
Der Rechtfertigungsdruck auf alle Befürworter von Opel-Hilfen ist in der gesamten Republik sehr hoch. So kritisiert beispielsweise der BDI-Präsident Keitel , dass es eine Schande ist, dass Opel Arbeitsplätze mit 200.000 Euro unterstützt werden und ein Mittelständler dieses Geld nicht als Kredit bekommt. Er vergisst dabei wohl, dass die Vergabepraxis bei staatlichen Krediten oder Subventionen (auch von EU) nicht von Opelanern gemacht worden ist. Auch entscheidet kein Opelaner und keine Opelanerin ob und wie Gelder verwendet werden.
In einer Zeit, in der die Finanzsysteme kollabieren und einige 100 Milliarden in die sogenannten systemrelevanten Banken (auch alle Landesbanken!) gepumpt wurde, ist es schwer dem deutschen Bürgerinnen und Bürger noch mehr Lasten aufzubürden. Im Folgenden soll es nicht darum gehen, aufzuzeigen, warum es für irgendwen keine staatlichen Hilfen geben darf. Die meisten Verfechter dieser Position sollten mal überlegen ob die Position von der-Markt-regelt-sich-selber nicht durch die jüngsten Bankenzusammenbrüche und die dadurch staatlichen Unterstützungen nicht überholt sind. Die Volkswirte und Wirtschaftswissenschaftler brauchen meiner Ansicht nach ein neues Theoriegebäude. Das aktuelle hat sich selbst zerstört. Ob ein Staat der bessere oder schlechtere Unternehmer ist muss noch abschließend geklärt werden.
Die Gegner von staatlichen Hilfen bei kriselnden Unternehmen sind nicht gerade wenig, wie sich aus zahlreichen Kommentaren zu Zeitungsartikel ablesen lässt. Auch Umfragen in Internetforen oder von Zeitungen bestätigen dieses Meinungsbild.
Es ist mittlerweile so, dass jeder einzelne Opelaner muss sich in der Öffentlichkeit rechtfertigen, warum Opel Geld bekommt und andere nicht. Dies ist teilweise eine sehr eindimensionale Sichtweise.
In diesem Lande neigen wir dazu, die negativen Folgen immer in den Vordergrund zu rücken. Dabei gibt es neben Holzmann und Co. auch etliche Beispiele, in denen durch stattliches Eingreifen eine Firma wieder flott und zukunftsfähig gemacht wurde. Es gibt gute Gründe Opel nicht sterben zu lassen:
In der Blödzeitung wurde am Anfang der Diskussion behauptet, Opel zahle keine Steuern und deshalb dürfe es auch keine stattliche Hilfe geben. Das ist richtig. Opel hat genauso wie viele andere Betriebe und Konzerne in Deutschland keine Steuern gezahlt – getreu den Buchstaben des Steuergesetzes und des HGB. Aber was dabei nicht außer acht gelassen werden darf, ist die Tatsache, dass jeder Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer bei Opel Lohnsteuern und viele andere Steuern bezahlen. Ein Teil der Kolleginnen und Kollegen kauf sogar die Bildzeitung.
„Die Folgen einer Opel-Pleite könnten den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Laut Einschätzung von Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kostet ein Arbeitsloser rund 18.900 Euro pro Jahr. Darin enthalten sind kosten für Arbeitslosengeld und Sozialleistungen, aber auch Steuerausfälle. Geht man von den von Dudenhöffer geschätzten 71.000 Arbeitslosen infolge einer Pleite aus, lägen die jährlichen Belastungen bei 1,3 Milliarden Euro.“ Das ist eine mögliche Schätzung. Möglicherweise sind die Folgen noch weitaus gravierender. Je nachdem wie weit man in der Zulieferkette und bei Dienstleistern zurückgeht, hängen über 100.000 Jobs an den Arbeitsplätzen von Opel. Die Kosten einer Insolvenz wären nach zwei Jahren um einiges höher als der aktuelle staatliche Kredit.
Opelaner machen nur einen Bruchteil der arbeitenden Bevölkerung aus. Richtig, aber es kommen noch jede Mende Arbeitsplätze bei den Zulieferern hinzu. Hinter jedem Arbeitsplatz steckt eine Familie. Eine gewerkschaftliche Diskussion ist eben anders als eine Diskussionsweise von Volks- und Betriebswirten. Als Gewerkschafter kann und muss man diesen sozialen Aspekt immer mit beleuchten.
Opel ist der größte industrieller Arbeitgeber in Bochum. Viele Zulieferbetriebe in NRW wären von einer Opel-Pleite betroffen. Die Bedeutung als Arbeitgeber in der Region ist immens. „Eine Opel-Pleite würde zu Industriewüsten in Bochum, Rüsselsheim und Kaiserslautern führen”, sagt der Duisburger Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer voraus. In diesen Städten beschäftigt Opel die meisten seiner 25.000 deutschen Mitarbeiter. „Da gibt es auch kaum Alternativindustrie, wohin die Opelaner vermittelt werden könnten”, so Dudenhöffer, „die müssten dann Pilze sammeln gehen.” Der Argumentation ist an dieser Stelle nicht mehr viel hinzuzufügen.
Wir wollen kein Geld geschenkt. Über das Treuhandmodell soll der Staat sich nur kurzfristig aktiv und danach mittelfristig passiv als Kreditgeber. Im Gegensatz zu Karstadt, hat Opel keine milliardenschweren privaten Eigentümer. Opels Mutter General Motors hat kürzlich Insolvenz nach amerikanischem Recht angemeldet. Da sind keine Finanzhilfen und Gelder für die nächsten Anläufe mehr zu erwarten. Leider ist im Zuge der Finanz- und Immobilienkrise das Interbankengeschäft zum Erliegen gekommen. Die Banken verleihen eben kein Geld mehr. Neben vielen anderen Kreditnehmern
Das neue Firmenmodell ist zukunftsfähig. Das glaubt nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel und die betroffenen Ministerpräsidenten, sondern auch die IG Metall. Ein Opel Neu kann – sobald die Probleme der aktuellen Überkapazitäten gelöst sind – sehr wohl am Markt bestehen.
Wir haben etliche zukunftsfähige Produkte. Aber soweit muss man gar nicht blicken, denn auch die aktuellen Produkte erfreuen sich steigender Kundennachfrage. Es reicht zwar noch nicht aus, um alle Fabriken rund um die Uhr brummen zu lassen, aber es stimmt hoffnungsfroh, wenn Opel in der Zulassungsstatistik in Deutschland an zweiter Stelle nach VW steht.
Auch für die nahe Zukunft gibt es gute technische Konzepte. 2012 könnte der Ampera in Bochum anlaufen. Das erste reine Elektrofahrzeug, bei dem der Benzinmotor nur Hilfestellung leisten soll, wenn die Batterien alle sind. Noch ist die Reichweite der auf 60 km für den Elektroantrieb begrenzt. Das wird sich aber garantiert ändern. Der Ampera ist der erste Schritt in die nächste Generation von neuen Autos. Bis die Wasserstofftechnologie ausgereift ist wird es noch viele andere Lösungen zwischendurch geben. An allen zukunftsweisenden Technologien
Zu guter Letzt: WIR SIND OPEL. Wir sind die Betroffenen. Wir dürfen auch emotional argumentieren. Jeder hat das Recht um seinen Arbeitsplatz zu kämpfen. Wir machen es und wir machen es mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir haben die Hilfen verdient.
Anmerkungen zu Guttenberg, dem Bundesinsolvenzminister:
Ein Wirtschaftsminister der für Opel gerne eine geordnete Insolvenz hätte. Das ist schon erstaunlich, wie der 37jährige Wirtschaftminister der CSU argumentiert. In vielerlei Hinsicht ist diese Argumentation ausreichend um den Posten frei zu machen. Ein Wirtschaftsminister unterstreicht mehrfach seine Inkompetenz.
Zum einen bedeutet für einen Fahrzeughersteller Insolvenz, dass so gut wie keine Fahrzeuge mehr verkauft werden. Saab hat gezeigt, wie die Verkaufszahlen in den Keller rauschen, wenn das böse I-Wort gefallen ist. Anders als in vielen anderen Bereichen ist eine potentielle Geschäftsbeziehung zwischen Käufer sehr langfristig ausgerichtet. Ein neues Auto gibt es nicht jedes Jahr. Ein neues Auto ist für die meisten Familien eine Anschaffung für 10 bis 15 Jahre.
Zum anderen ist es wenig professionell, wenn der einzige wirklich interessierte Investor durch Pressemeldungen seitens Guttenberg erfährt, dass noch ganz viele Investoren Schlange stehen. Magna hat bis jetzt gerade mal eine Absichtserklärung unterschrieben. Es entsteht dass Gefühl, dass da wacklige Beine weggetreten werden sollen. Wenn alles schief geht und Magna abspringt, kann Magna sogar das Verhalten des Wirtschaftsministers als ein Grund des Scheiterns hervorheben.
Er rühmt sich selbst (und seine Parteifreunde) als einen Menschen der sich durch persönliche Erfahrung in der freien Wirtschaft seine Kompetenz erarbeitet. Wie man jedoch durch die Führung eines Forstbetriebes auf dem elterlichen Gut oder durch Leitung einer Drei-Mann-Vermögensgesellschaft dazu kommt ist ein wenig schleierhaft. Die Leitung von Schlossbediensteten macht noch keinen Unternehmergeist aus.
Böse Zungen behaupten, das Favorisieren einer geordneten Insolvenz hänge mit der Nähe des Wirtschaftsminister zu Roland Berger, dem offiziellen Berater der Bundesregierung zusammen. Berger sitzt im Vorstand von FIAT und FIAT warte auf eine Insolvenz, weil dadurch ausgewählte Standorte als Schnäppchen zu haben sind.
Übrigens im zweiten Absatz habe ich noch den Aspekt vergessen:
„Weder die Wissenschaften (VWL, BWL, WiWi…) noch die Gewerkschaften haben
eine Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit negativem Wirtschaftswachstum
(bei Helmut Schmidt war es Minuswachstum) und gleichbleibender (evt. noch
steigendender) Beschäftigung haben. Wie damals im Jahre 1929 gab es
hochrangige Akademiker und Experten, die der „Blase“ eine intellektuelle
Rechtfertigung gaben.“
Von Markus Bauer
wiss. Mitarbeiter des Betriebsrates
Opel Werke Bochum